Georges Marchand leitet seit 15 Jahren die Ausgleichskasse Handel Schweiz. In dieser Funktion übernimmt er unter anderem die Verantwortung für die Mitarbeitenden. Welche weiteren Aufgaben zu seinem vielfältigen Job gehören, vor welchen Herausforderungen die Branche aktuell steht und was er sich für die Zukunft der Kasse wünscht, erzählt der 59-Jährige im Interview.
Welches sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Leiter der Ausgleichskasse Handel Schweiz?
Die Leitung des Personals gehört sicher zu einer meiner wichtigsten Aufgaben. In dieser Funktion begleite ich nach einer Erstbeurteilung durch die Abteilungsleitung die Zweitrundengespräche bei Eintritten. Neben der Lohnverhandlung geht es mir bei diesen Treffen um die Wertschätzung gegenüber der Bewerberin oder dem Bewerber. Dann überprüfe ich jedes Jahr die Löhne. Dies auf Grundlage einer Analyse, die wir in einem Verbund mit über dreissig vergleichbaren Unternehmen in der Region regelmässig durchführen. Mir ist es wichtig, dass wir marktgerechte Löhne bezahlen. Selbstverständlich kann es auch unterjährig individuelle Lohnanpassungen geben – beispielsweise aufgrund einer abgeschlossenen Ausbildung oder einer Beförderung. Als Personalleiter bin ich selbstverständlich auch für die Anliegen der Mitarbeitenden zuständig, immer in enger Zusammenarbeit mit Jessica Meier, Leiterin Geschäftsleitungsassistenz und HR. Sie unterstützt mich stark und ist oft auch die erste Anlaufstelle bei Fragen der Mitarbeitenden.
Dann gehört auch die Führung der Abteilungsleitenden zu meinen Aufgaben und die situative Teilnahme an Sitzungen mit verschiedensten Personen und Partnern. Gemeinsam mit dem Stv. Kassenleiter erstellen wir zudem jährlich das Budget für die Familienausgleichskasse. Das bedeutet, wir definieren die Ansätze der einzelnen Kantone und leiten den Antrag zur Abnahme an den Vorstand unserer Familienausgleichskasse weiter.
Kann die AK71 die Beiträge, die aus der Familienausgleichskasse ausbezahlt werden, frei festsetzen?
Wir wickeln die Familienzulagen für die ganze Schweiz ab. In den meisten Kantonen können wir die Höhe der Beiträge selber definieren und unseren Mitgliedern so oft auch attraktivere Sätze als die kantonalen Ausgleichskassen anbieten.
Welche weiteren Aufgaben gehören zu Ihrem Jobprofil?
Eine wichtige Aufgabe habe ich als Mitglied der Anlagekommission, wo wir die Portfolios unserer Sozialwerke zusammen mit externen Expertinnen und Experten laufend prüfen und das weitere Vorgehen definieren. Dann beschäftigt mich die grosse Menge an Mails, die laufend beantwortet werden müssen. Auch wenn ich schnell auf Mailanfragen reagieren möchte, schaffe ich das aufgrund anderer Arbeiten leider nicht immer.
In welchen Gremien sind Sie als Leiter der Kasse aktiv?
Das fängt an mit verschiedenen internen Gremien von der Geschäftsleitung über die Kadersitzungen bis hin zu IT-Meetings. Nach aussen bin ich Verwaltungsratsmitglied der Revisionsstelle der Ausgleichskassen und wie bereits erwähnt Mitglied der Anlagekommission, die viermal pro Jahr zusammenkommt. Zudem bin ich Kassenleiter respektive Geschäftsführer unserer Sozialwerke Ausgleichskasse, Familienausgleichskasse, BVG-Stiftung sowie der beiden Mitarbeitendenfonds Personalfürsorgestiftung und Wohlfahrtsfonds. Zu diesen Funktionen gehört auch die gesamte Sitzungsorganisation. Daneben setze ich mich zusammen mit der Vereinigung der Verbandsausgleichskassen für gemeinsame Anliegen gegenüber dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ein und bin in meiner Funktion auch als Delegierter der Informationsstelle AHV/IV sowie der eAHV/IV tätig. Zu guter Letzt bin ich in verschiedensten Projekten dabei – zumindest am Kick-off.
Haben wir noch etwas vergessen?
Ich betreue je nach Bedarf neue und bestehende Kundinnen und Kunden und pflege den Kontakt zu externen Partnern. Im Sinne meiner Repräsentationspflicht besuche ich zudem Generalversammlungen von Mitgliederverbänden von Handel Schweiz sowie anderen Institutionen. Dann führe ich regelmässig Informationsveranstaltungen für Mitarbeitende durch, bin für die jährlichen Reglementsanpassungen der Sozialwerke der AK71 und für deren Jahresberichte verantwortlich. Zusammengefasst heisst das für mich: Ich möchte in der Kasse präsent sein und eine Vorbildfunktion übernehmen.
Die Ausgleichskasse Handel Schweiz hat die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Was heisst das genau?
Wir sind eine der Hauptdienstleisterinnen unseres Verbands Handel Schweiz und agieren absolut eigenständig und auf eigene Rechnung. Unser oberstes Organ ist der Vorstand, bestehend aus Vertretungen der Gründerverbände Handel Schweiz und Schweizerischer Verband der internationalen Handelsfirmen. Zwischen dem Vorstand der Ausgleichskasse und der Familienausgleichskasse gibt es den Arbeitsausschuss, der sich aus unserer Geschäftsleitung und aus zwei Personen des Vorstands der AK71 zusammensetzt. Er verantwortet gegenüber dem Vorstand die ihm übertragenen Aufgaben.
Kann eine Verbandsausgleichskasse wie die AK71 einfach so gegründet werden?
Gemäss der AHV-Gesetzgebung sind ein oder mehrere schweizerische Berufsverbände gemeinsam befugt, Verbandsausgleichskassen zu gründen und ihren Mitgliedern damit den Anschluss an eine eigene Sozialversicherung zu ermöglichen. Gemäss dieser Gesetzgebung müssten streng genommen alle Mitglieder von Handel Schweiz der Ausgleichskasse Handel Schweiz angeschlossen sein. Dies ist aus verschiedensten Gründen aber nicht immer durchsetzbar, wie z. B. der Sitz der Firma, Zufriedenheit mit der aktuellen Kasse oder die Angst des Aufwands bei einem Kassenwechsel. Letztere ist jedoch absolut unbegründet, da wir die Übernahme für Neumitglieder kostenlos organisieren. Fazit: Auch wenn wir mit unseren Dienstleistungen einen gesetzlichen Auftrag erfüllen und unserer Aufsichtsbehörde, dem BSV, Rechenschaft ablegen müssen, können und müssen wir unternehmerisch agieren. Das ist sicher auch der Hauptunterschied zu einer kantonalen Kasse. Ich behaupte, dass wir unseren Kundinnen und Kunden näher sind und so auch besser auf die individuellen Bedürfnisse eingehen können.
Was muss man für Ihren Job mitbringen?
Ausdauer (lacht). Dann muss man die Kasse nach aussen repräsentieren können und wollen und ein hohes Mass an Sozialkompetenz mitbringen. Wichtig ist auch, dass man innerhalb des gesetzlichen Rahmens kompromissbereit sein kann.
Wie viel Know-how im Sozialversicherungswesen ist wichtig in Ihrer Funktion?
Ich hatte den Vorteil, dass ich bis auf die Abteilung Leistungen AHV/IV überall in der AK71 tätig war und schon lange dabei bin. Ich kenne die Aufgaben und die gesetzlichen Rahmenbedingungen – wenn auch nicht mehr überall im Detail. Daneben bin ich zweisprachig aufgewachsen, was in unserer schweizweit tätigen Kasse sehr wichtig ist.
Wer unterstützt Sie in Ihrer Arbeit?
Die grösste Unterstützung kommt aus dem HR-Bereich. Dann die Abteilungsleitenden, die für mich immer wieder verschiedenste Fragestellungen abklären müssen. Und natürlich auch Kaspar Engeli in seiner Funktion als Direktor von Handel Schweiz. Für mich gilt schlussendlich der Teamgedanke: Ich unterstütze so gut wie möglich und werde unterstützt.
Was reizt Sie an Ihrem Job besonders?
Sicher die Vielseitigkeit. Das macht meine Tage nie langweilig. Auch die Zusammenarbeit und den offenen Austausch mit den Mitarbeitenden sowie den Kontakt zu den Kundinnen und Kunden; vor allem, wenn wir die Kundinnen und Kunden bei ihnen vor Ort treffen dürfen. Zudem schätze ich es sehr, zum Wohle der Ausgleichskasse eigene Entscheidungen treffen zu dürfen.
Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen in Ihrer Branche?
Die Sicherung und Stabilisierung der 1. und 2. Säule. Wir erleben es bei jeder Volksabstimmung: Es wird immer schwieriger, Vorlagen durchzubringen. Ein Grund dafür ist die Komplexität, bei der teilweise sogar Fachpersonen den Durchblick verlieren. Aber Anpassungen sind nötig und Lösungen müssen dringend gefunden werden. Deshalb ist die Zusammenarbeit der Ausgleichskassen – ob Verbandsausgleichskassen oder kantonale Ausgleichskassen – entscheidend. Denn nur gemeinsam können wir auf der politischen Ebene Veränderungen anstossen. Auch die Zusammenarbeit mit dem BSV als Aufsichtsbehörde ist herausfordernd, da es in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist und die Aufgaben sehr komplex sind.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Dachverband Handel Schweiz aus?
Es besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Direktor von Handel Schweiz, der ja im Prinzip mein direkter Vorgesetzter ist, und mir. Wir treffen uns regelmässig und tauschen uns aus. Als Leiter der Kasse wurde ich vom Vorstand der Ausgleichskasse ernannt, wo der Direktor von Handel Schweiz auch Mitglied ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der AK71?
Eine gute Positionierung unserer Kasse innerhalb der Ausgleichskassenwelt, ein tolles Team und ein gesundes Arbeitsklima, das von gegenseitiger Wertschätzung und Unterstützung geprägt ist. Ich wünsche mir auch, dass wir die Nähe zu den Kundinnen und Kunden bewahren und teilweise sogar noch ausbauen können. Denn wichtig ist, dass wir unsere Kundinnen und Kunden verstehen und sie damit von unserer Kasse überzeugen können; auch wenn wir nicht immer die günstigsten sein können.
Interview: Conny König
Persönliches über Georges Marchand
Georges Marchand hat am 1. April 1989 bei der AK71 gestartet. Seine Karriere verlief in einem 10-Jahresrhythmus: 1999 wurde er Leiter der Abteilung Beiträge und seit 2009 ist er Leiter der Ausgleichskasse Handel Schweiz. Der 59-Jährige wohnt mit seiner Ehefrau in Aesch, hat zwei erwachsene Kinder und ist seit eineinhalb Jahren stolzer Grossvater. In der Freizeit geniesst er es, Freunde zu treffen, mit der Hündin spazieren zu gehen, mit der Familie und dem Grosskind Zeit zu verbringen und wenn immer möglich sportlich aktiv zu sein.